Zum Tod von Papst Franziskus
Nachruf auf Papst Franziskus von Dr. Thomas Frauenlob
Sofort wehte ein anderer Wind im Vatikan als Jorge Mario Bergoglio, der Erzbischof von Buenos Aires, Nachfolger des Hl. Petrus geworden war. Benedikt XVI. war der theologische Mitgestalter und Vollender des langen Pontifikats Johannes Pauls II. Jetzt war die Kirche im 21. Jahrhundert angekommen, jetzt war der rechte Augenblick für Neues. Zum ersten Mal ein Südamerikaner, zum ersten Mal ein Jesuit, zum ersten Mal ein Franziskus. Der neue Papst in weißer Soutane auf der Loggia des Petersdomes begann mit einem freundlichen Buona sera, und redete vom neuen Bischof von Rom, der mit den Gläubigen einen gemeinsamen Weg beginnen wolle. Von Papst und seinen Insignien keine Spur.
Am Palmsonntag 2013 besuchte Papst Franziskus spontan den Campo Santo neben seiner Wohnung in der Casa Santa Marta;
im Bild links: Msgr. Dr. Thomas Frauenlob
Dieser erste Auftritt vor der Welt war programmatisch. Franziskus brachte viel Gewohntes und Eingespurtes in der Weltkirche in Bewegung, stieß Denkprozesse an, stellte in Frage, schleifte wenn nötig Bastionen. Er wirkte nach einem intellektuellen Professor Papst wie der Pfarrer Papst, dessen Gemeinde die ganze Welt ist. Seine bewusst, ja gelegentlich provozierend unprätentiöse Art irritierte und lenkte doch den Blick plötzlich auf andere Wertigkeiten: Die Randständigen, Armen und Notleidenden kamen in den Focus, und das nicht nur als Objekte, sondern als Subjekte, auf deren Stimme zu hören war. Im Grunde verwies er damit einfach auf die Koordinaten des Reiches Gottes, wie sie von Jesus Christus selbst verkündet und vorgelebt wurden.
Seine Art der Kommunikation in Predigten, Ansprachen und ganz häufig mit allen möglichen Mitteln und Gesprächspartnern trieb den Verantwortlichen im Vatikan regelmäßig den Schweiß auf die Stirn. So deutlich er seine Abneigung gegen den Vatikan als Verwaltungsapparat, gegen das Geschwätz auf den Fluren, gegen Klerikalismus und Karrierismus auch offen zeigte, so war er dennoch in den Jahren dagegen in seinem Umfeld nicht immer gefeit. Der Papst ist halt auch nur ein Mensch.
Msgr. Dr. Thomas Frauenlob begrüßte Papst Franziskus, da der damalige Rektor Hans-Peter Fischer nicht erreichbar war
Seine entschiedene Art ließ die Hoffnung oder auch die Angst vor weitreichenden Reformen in der Kirche aufkeimen. Doch Franziskus war sich dessen sehr wohl bewusst, dass er einer langen Tradition verpflichtet ist, die nur behutsam und im Blick auf die ganze Welt angepasst werden kann. Er war kein Heißsporn. Daher enttäuschte er stets extreme Erwartungen – in konservativer als auch in progressiver Sichtweise gleichermaßen.
Weit mehr als seine Worte und nicht selten ambivalenten Formulierungen vermittelten seine Gesten zentrale Botschaften: Der Papst in Lampedusa im Gedenken an die toten Migranten des Mittelmeeres, der einsame Papst auf dem verregneten Petersplatz im Gebet in der Coronapandemie, der Papst beim Optiker und Zahnarzt, der kranke Papst im Rollstuhl – all das sind Jahrhundertbilder, die in Erinnerung bleiben werden.
Papst Franziskus ließ sich den deutschen Friedhof zeigen und bedankte sich für die Führung
Seine Liebe galt der Begegnung mit Menschen. Bei der wöchentlichen Generalaudienz am Mittwoch hatte man den Eindruck, der Papst würde schon frühmorgens mit den Füßen scharren, bis er endlich auf den Platz darf. Er hatte keinerlei Scheu vor Berührung und Nähe. Seine unkonventionelle Art des Umgangs, seine frappierende Spontaneität waren Zeichen ehrlicher Liebe zum Menschen. Seine exemplarische Sorge um die Armen rund um den Petersplatz machte jedem klar, dass er kein protokollarisches Amt des päpstlichen Almosenmeisters brauchte, der feierlich hinter ihm herlief, sondern einen, „der hinausgeht, die Armen umarmt und ihnen sagt, das ist vom Papst“.
Als Südamerikaner und nüchterner Jesuit vollzog er einen Kulturbruch. Der für den frisch gewählten Papst bei einem Konzert in der Nervihalle leer bleibende Stuhl machte dies unmissverständlich klar. Dem christlich absterbenden Europa hielt er den Spiegel seiner nur relativen Wichtigkeit in der Weltkirche schonungslos vor Augen. Er lenkte den Blick auf die Kontinente, in denen Christentum dynamisch und wachsend ist. Er brach mit der Tradition bestimmter Diözesen als Kardinalssitze. Seine Wahl fiel – von außen ohne erkennbare Veranlassung – oft auf unbekannte Bischöfe unterschiedlichster Herkunft und verschiedensten Alters. Gerade in der Ernennung der Mitglieder des Kardinalskollegiums ist der Papst der absolute Herr des Geschehens. Man darf gespannt sein, wie diese Purpurträger nun eine wirkliche Gemeinschaft bilden, um einen neuen Papst zu wählen.
Auch die am Campo Santo befindliche Kirche Santa Maria della Pietá besichtigte Papst Franziskus
Sein Weg als Nachfolger des Hl. Petrus und Bischof von Rom endete an dem Ort, an dem er zum ersten Mal vor die Weltöffentlichkeit getreten war, auf der Loggia des Petersdomes. Nach zwölf Jahren vollsten Einsatzes von Krankheit und Schwäche gezeichnet, ein körperliches Wrack im Rollstuhl. Sein letztes Wort der Segen urbi et orbi – für die Stadt und die ganze Welt – am Hochfest der Auferstehung des Herrn. Seine letzte Begegnung mit den Menschen ein Bad in der Menge der Gläubigen auf dem Petersplatz. Es hätte keinen besseren Abschied von Papst Franziskus aus dieser Welt geben können. Gott vergelte ihm jetzt all seine Mühe und Arbeit in der Verkündigung des Reiches Gottes und schenke ihm seinen Platz im Haus des Vaters!