Opferlichter als nachhaltiges Produkt

Idee des Recyclings seit fünf Jahren praktiziert - in Zusammenarbeit mit den Pidinger Werkstätten GmbH der Lebenshilfe

Gibt es eine Möglichkeit, die Reste von Opferlichtern aus den Kirchen nicht in den Müll geben zu müssen, sondern die Wachsüberbleibsel und die Kunststoffhüllen nochmals zu verwerten?
Mit diesem Gedanken hat sich der Berchtesgadener Dekan Monsignore Dr. Thomas Frauenlob gemeinsam mit seinem Verwaltungsleiter Michael Koller und dem Angerer Kerzenlieferanten Max Fegg für rund fünf Jahren befassst. Die Idee wurde geboren, bei den Pidinger Werkstätten GmbH der Lebenshilfe BGL anzufragen, ob dort das Recycling von Opferlichtern in die Praxis umgesetzt werden könnte.

„Das war für uns natürlich eine logistische Herausforderung. Denn solch ein Auftrag war Neuland, es gab keine vergleichbaren Konzepte bei uns“, erzählt Florian Huber. Er ist der Abteilungsleiter für den Fachbereich Dienstleistungen. „Wir bekommen die abgebrannten Opferlichter geliefert. Da heißt es zunächst, dass die Wachreste aus den Behältern herausgeholt werden müssen“, erklärt Huber und ergänzt: „Das ist eine recht niederschwellig angesiedelte Arbeit, die mit einem Handgriff erledigt werden kann und somit für bestimmte Mitarbeiter ideal ist.“ Die einzelnen Tätigkeiten zur Herstellung des fertigen Produkts werden abschnittsweise an den beiden Standorten der Werkstätten in Anger und Piding ausgeführt. Nach der Reinigung wird in die leeren Hüllen ein neuer, kleiner Kerzenblock eingelegt. Rund einen Zentimeter hoch ist dieser Block, der Docht in der Mitte ist bereits eingesetzt. Wenn alles so weit vorbereitet ist, dann geht es ans „Eingemachte“. Für die schwierigste Arbeit, das Ausgießen der Behälter mit neuem, erhitztem Wachs gibt es bei den Werkstätten mittlerweile einen „Meister seines Fachs“. Florian Huber: „Unser Namir Jeserkic ist ein wahrer Virtuose am Wachsbidschei“, meint er mit einem anerkennenden Lächeln. Denn Namir schmilzt Wachs bis zur richtigen Temperatur, schöpft es dann in einen trichterähnlichen Behälter und gießt das geschmolzene Wachs mit äußerster Konzentration und höchster Präzision in die Kerzenhüllen ein.

„Man sieht einfach, dass es kein Industrieprodukt sondern ein handgegossenes Opferlicht ist“, unterstreicht Max Fegg. „Und das macht es auch für die Leute so interessant, die in den Kirchen ein Licht anzünden. Sie wissen, dass sie mit dieser kleinen Kerze auch eine wertvolle Arbeit unterstützen. Denn die Menschen mit Behinderung werden je nach ihren Fähigkeiten in die einzelnen Arbeitsschritte mit eingebunden und erhalten so auch Bestätigung und Anerkennung. Deshalb sollte man auch tolerant sein, wenn mal an einem Kerzenrand ein Wachstropfen klebt, da sieht man die Handarbeit“, so sein Hinweis.
Auch für Max Fegg war das Projekt mit einigen Herausforderungen verbunden. Er ist der Koordinator, holt die alten ausgebrannten Kerzen bei den Kirchen ab, bringt sie zu den Werkstätten und beliefert die Pfarreien dann mit den recycelten Produkten. „So mussten auch passende Kartons- und Umverpackungsmaterial organisiert werden. Außerdem musste ich einen Lieferanten ausfindig machen, der den passenden Einsatz mit Docht herstellen kann. Aber wir haben einen Kooperationspartner gefunden, der die benötigen Einsätze in dieser Form nur für die Lebenshilfe BGL herstellt.“ Fegg weiter: „Und dann musste der neue Docht auch mit Altwachs kompatibel sein. Nicht dass die Kerze dann zu sehr raucht oder zu schnell abbrennt. Denn ein Opferlicht hat eine Brenndauer von sechs Stunden“, so die Erklärung des Fachmanns.

Nach einigen Testläufen hat sich das Recycling der Opferkerzen mittlerweile gut eingespielt. Seit den Anfängen vor fünf Jahren haben sich immer mehr Pfarreien aus dem Berchtesgadener Land und dem Nachbarlandkreis Traunstein entschieden, recycelte Opferlichter zu verwenden. Im vergangenen Jahr wurden 200.000 der kleinen Kerzen in den Pidinger Werkstätten hergestellt, bis Oktober 2022 waren es bereits 190.000 – Tendenz steigend. „Es sind längst nicht nur die Kirchgänger, die ein Opferlicht anzünden. Vor allem Tagesgäste, Touristen und Ausflügler, die in ein Gotteshaus kommen zünden eine Kerze für ein persönliches Anliegen an“, unterstreicht Max Fegg. und ergänzt: „Besonders in den Urlaubsregionen merkt man, dass in den Sommermonaten der Bedarf enorm steigt.“ Die Schwankungen können in den Pidinger Werkstätten gut kompensiert werden. Denn hier werden die gelieferten alten Lichter das ganze Jahr über im gleichen Rhythmus bearbeitet und neu befüllt. Dann wird halt auf Vorrat produziert und wenn Max Fegg wieder eine Bestellung aus einer Pfarrei erhält, dann sind genügend Lichter auf Lager.

„Es muss auch der Arbeitsplatz entsprechend eingerichtet und an die Arbeitsweise angepasst sein. Denn gerade die Arbeit mit Wachs sorgt ja auch für Verschmutzungen am Fußboden, die nicht ganz so einfach zu beseitigen sind“, bringt Florian Huber noch einen weitere Herausforderung an die Logistik mit ins Spiel.

Das Projekt steht unter dem Leitspruch „Innovation & Kooperation“. In den Kirchen wird mittels Flyer auf die Kooperation mit der Lebenshilfe Berchtesgadener Land aufmerksam gemacht. So wird nicht nur ein persönliches Anliegen beim Anzünden einer Kerze in den Mittelpunkt gerückt, jeder der ein recyceltes Opferlicht anzündet weiß, dass er einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zur Wertschätzung der Arbeit behinderter Mitmenschen leistet.

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Andreas Prager entfernt das Altwachs und die Dochtplättchen

221109 Opferlichter Namir Jezerkic

Meister seines Fachs: Namir Jezerkic beim Ausgießen der Opferlichter

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Opferlichter: In langen Regalreihen lagern die kleinen Kerzen bis Max Fegg (rechts) sie abholt.  Jonas Falter (vorne) legt die Kerzenblöcke ein, bevor sie von Namir Jezerkic befüllt werden

Fotos: Maria Horn

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