Bilder des Passionsgeschehens in Berchtesgaden

Tage der Trauer und des Mitleidens - Betrachtungen von Manfred Angerer

Der bei uns so farbenfroh und fröhlich gefeierte Palmsonntag mit dem alten, wohl weithin besonderen Brauch des „Palmtragens“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass tags darauf die Passionswoche beginnt. Tage der Trauer und des Mitleidens – zumindest für christlich orientierte Menschen.

Dafür hat man schon in alter Zeit Stätten des Leidensweges Jesu Christi errichtet, um den Gläubigen die Möglichkeit zu geben, sich leichter in die Passion hineinzudenken und diese im Gebet mitzuerleben und zu begleiten. Denken wir dabei zu allererst an unseren Berchtesgadener Kalvarienberg mit seinen vier barocken Kreuzwegstationen und der großen Exedra, die Fürstpropst Michael Balthasar Graf von Christallnigg 1760 am Fürstenstein erbauen ließ.

14 Jahre später bekamen auch die Ramsauer ihre eindrucksvolle Kalvarienkapelle am Beginn des Wallfahrtsweges hinauf nach Maria Kunterweg. Dieser Weg ist gleichzeitig auch ein Kreuzweg mit den zugehörigen Kreuzwegstationen, die zur Wallfahrtskirche hinaufführen. Diese wurde während der Regentschaft der Fürstpröpste Julius Heinrich Freiherr von Rehlingen und Cajetan Anton Freiherr von Nothaft zu Weißenstein erbaut und schon 1731 im Zuge der Gegenreformation eingeweiht. Man wollte damit die Glaubensabtrünnigen, die sich von der Lehre Martin Luthers hatten inspirieren lassen, wieder „auf den rechten Weg“ zurückholen.

Aber auch Kreuzwege von künstlerischem Rang aus jüngerer Zeit können wir vorweisen: z. B. die ausdrucksstarken Hinterglasbilder des Berchtesgadeners Gottfried Rasp in der Bischofswiesener Pfarrkirche oder der Kreuzweg von Vorderbrand hinauf auf den Brandkopf, um nur die beiden zu nennen. Schließlich findet man noch zahlreiche Kreuzigungskapellen hierzulande, z. B. das Schachernkreuz am Ende des Nonntals, die Kreuzigungsgruppe am jetzt neuen Standort in Marktschellenberg, die Kreuzigungskapelle oben in Ettenberg, eine weitere beim Freimannlehen in der Unterau am Fuss des ehemaligen Galgenbichls, das vortrefflich renovierte Gollenbachkreuz in Untersalzberg und noch manch` andere. Sie alle wurden einmal errichtet, um unsere Vorfahren aber auch uns stets an den Tod Jesu Christi zu erinnern, der zu unserer Erlösung gestorben ist.

Ein eher in Vergessenheit geratener, besinnlicher Kreuzweg lässt sich im Rostwald begehen. Er beginnt unweit des neu angelegten Kreisels oberhalb des Aschauerweiherbades. Gleich an der ersten Kurve der alten Reichenhaller Straße befindet sich linkerhand eine Ölbergkapelle, gleichsam als erste Station. Danach kommt man am „Rosthäusl“ vorbei, dessen Hauswand ein ausdrucksstarkes Kruzifix ziert. Schon wenige hundert Meter weiter gelangt man zur Kreuzigungskapelle „im Rostwald“. Doch dem aufmerksamen Betrachter wird zuvor am Stadl des Rosthäusls nicht ein ganz besonders Kreuz, verziert mit den Leidenswerkzeugen Jesu Christi, entgangen sein. Man nennt diese Darstellung „Arma-Christi-Kreuz“(lat. arma = Waffen, bewaffnet), die vor allem in Süddeutschland, in Südtirol, in Österreich seit der Barockzeit Verbreitung gefunden hat. Gar mancher Künstler hatte sich darauf regelrecht spezialisiert und den Gekreuzigten mit bis zu 40 verschiedenen Passionswerkzeugen bzw. - symbolen dargestellt. Der Orden der Kapuziner hat diese Darstellung besonders gefördert, weshalb dieses Kreuz oft auch als „Kapuzinerkreuz“ bezeichnet wird. Ein Andachtsbild besonderer Dramatik.

Das Arma-Christi-Kreuz am Stadl des Rosthäusls

Das Arma-Christi-Kreuz am „Rosthäusl“ zeigt vergleichsweise nur die wichtigsten Passionswerkzeuge, wenngleich es anerkennenswert ist, dass der Eigentümer des Anwesens diese Darstellung schon über Jahrzehnte hinweg pflegt.

Die Kreuzigungskapelle im Rostwald

Die Kreuzigungskapelle im Rostwald

Doch in diesem Beitrag soll noch ein anderes, besonders reich ausgestattetes Arma-Christi-Kreuz gezeigt werden. Denn auch dieses hat Bezug zu Berchtesgaden; stammt es doch aus der reichen Sammlung unseres Berchtesgadener Volkskundlers, Professor Rudolf Kriss, der noch in diesem Jahr seinen 120. Geburtstag und gleichzeitig 50. Todestag begehen wird. Als leidenschaftlicher Sammler und Wissenschaftler hat er im Laufe seines Lebens rd. 14 000 Votivgaben und andere Zeugnisse religiöser Volkskunst aus Mitteleuropa, mit dem Schwerpunkt Alpenraum zusammengetragen und sie schließlich im Jahre 1951 dem Bayerischen Nationalmuseum in München als Schenkung vermacht. Dort war die Sammlung im volkskundlichen Teil bis 1961 zu sehen, ehe sie in das Straubinger Herzogschloß ausgelagert wurde und dort von 1995 bis 2006 beheimatet war. Seit 2007 befindet sich die höchst sehenswerte Sammlung im Museum Kloster Asbach im Rottal, ebenfalls eine Zweigstelle des Bayerischen Nationalmuseums.

Das „Arma-Christi-Kreuz“ aus der Sammlung von Prof. Rudolf Kriss im Museum Kloster Asbach im Rottal, ein Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums. (Repro mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Nationalmuseums).

Das „Arma-Christi-Kreuz“ aus der Sammlung von Prof. Rudolf Kriss im Museum Kloster Asbach im Rottal, ein Zweigmuseum des Bayerischen Nationalmuseums. (Repro mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Nationalmuseums).

Das abgebildete Arma-Christi-Kreuz stammt aus Niederbayern und entstand in der Zeit um 1850. Auf die vielfältige Symbolik dieses reich ausgestatteten Arma-Christi-Kreuzes einzugehen, würde hier den verfügbaren Rahmen allerdings sprengen. Dennoch - für Christen, die mit der Leidensgeschichte Jesu vertraut sind, dürfte der jeweilige Bezug der Gegenstände zur Passion unschwer herzustellen sein.

Lediglich die unterhalb des Kreuzes hängende Schlange bedarf möglicherweise der Erläuterung. Sie verweist auf die Schöpfungsgeschichte, das Paradies, die Verführung durch die Schlange und damit den Sündenfall von Adam und Eva, unseren Stammeseltern. Und Christus, der Gottessohn, hat schließlich mit seinem Tod am Kreuz die Menschheit von dieser Erbsünde erlöst.

Zuletzt soll noch ergänzt werden, dass in der volkskundlichen Abteilung unseres Berchtesgadener Museums Schloss Adelsheim ein Arma-Christi-Kreuz als wertvolle Beinschnitzerei, als filigrane Miniatur für einen Hausaltar geschaffen, zu bewundern ist.

Wie auch immer man die Tage der Karwoche begehen mag - an Stätten für eine individuelle oder gemeinsame Kreuzwegandacht und innere Einkehr mangelt es bei uns somit nicht.

Bericht und Bilder: Manfred Angerer

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