„Baufällig, zu klein und häßlich“

Vor 150 Jahren begann der Bau der neuen Pfarrkirche Marktschellenberg

Wer vor dem Hauptportal der Pfarrkirche St. Nikolaus in Marktschellenberg steht, sollte einen Blick nach unten werfen: Am linken Eck der Kirche ist auf dem untersten Stein ein Datum zu lesen: 26. Apr. 1870. An diesem Tag wurde mit dem Bau der neuen Pfarrkirche begonnen.

Datum Beginn Kirchenbau
Stein mit Datum (Bild: Josef Rauffer)

Die alte Kirche stammte aus der Spätgotik und wurde im Jahr 1521 erbaut, wie eine Inschrift am Turm zeigt, der bis heute erhalten blieb. Nach der Pfarrkirche St. Sebastian, Ramsau, die im Jahr 1512 erbaut wurde, entstand in Schellenberg neun Jahre später die zweite große Kirche außerhalb von Berchtesgaden auf dem Gebiet der ehemaligen Fürstpropstei.

Inschrift Turm
Inschrift Turm (Bild: Josef Rauffer)

Etwa 300 Jahre später scheint die Kirche aber in einem bedauernswerten Zustand gewesen zu sein. In der Pfarrchronik wird sie wenig charmant als „baufällig, zu klein und häßlich“ bezeichnet. Bereits 1817 hat ein Sturm und 1849 ein Blitzschlag den Turm, der in der Barockzeit eine Zwiebelhaube erhalten hat, schwer beschädigt. 1853 hat er deswegen die noch heute erhaltene Spitzdachform bekommen. Die Kirche selbst musste aber im Bereich des Altarraums bereits wegen Einsturzgefahr abgestützt werden.

Gemälde alte Pfarrkirche
Gemälde alte Pfarrkirche (Bild: Josef Rauffer)

Gemälde neue Pfarrkirche
Gemälde neue Pfarrkirche (Bild: Josef Rauffer)

1867 entschloss man sich zu einem Neubau der Pfarrkirche, wobei der alte Turm beibehalten und in die neue Kirche integriert werden sollte. Bereits kurz darauf begann der Abbruch der alten Kirche sowie der 1793 südlich angebauten Taddäuskapelle. Am 26. April 1870 begannen die Bauarbeiten an der neuen Kirche, am 5. Juni 1870 wurde der Grundstein gelegt.

Gemälde Pfarrkirche im Bau
Gemälde Pfarrkirche im Bau (Bild: Franz Heger)

Nur zwei Jahre später vollzog der damalige Erzbischof von München und Freising, Gregor von Scherr, die Weihe der neugotischen Kirche. Ganz fertig war sie da noch nicht: In den folgenden fünf Jahren geschah die Inneneinrichtung.

Innenansicht Pfarrkirche alt
Innenansicht Pfarrkirche alt (Bild: Franz Heger)

Baustelle innen
Baustelle innen (Bild: Franz Heger)

Baustelle außen
Baustelle außen (Bild: Franz Heger)

Nach zahlreichen Renovierungen zeigt sich die Kirche heute leider nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand. Besonders unter Pfarrer Benno Utzmeier (Pfarrer von 1943 bis 1991) gab es zahlreiche Eingriffe, der gravierendste 1973 im Zuge der Neugestaltung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Die komplette neugotische Ausstattung wurde entfernt und ist teilweise unwiederbringlich verloren gegangen. Erst unter Pfarrer Georg Galinski wurde versucht, die bis dahin sehr nüchterne Kirche wieder mit noch vorhandenen Ausstattungsstücken und neuen Ergänzungen (wie etwa den Buntglasfenstern) zu renovieren. 2006 wurde diese Renovierung abgeschlossen, mit der sich die Kirche bis heute zeigt.

In zwei Jahren steht Marktschellenberg dann ein großes Jubiläum ins Haus: der 150. Jahrestag der Weihe seiner Kirche am 27. September 2022 und gleichzeitig das 500jährige Jubiläum des Kirchturms, der in weiten Teilen bis heute erhalten ist.

Kaplan Josef Rauffer

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