Von Dorfen nach Berchtesgaden und zurück

Das Gnadenbild der Hilgerkapelle dient bei Primiz in Dorfen als Altarbild

Im Februar dieses Jahres erhielt die Pfarrei St. Andreas eine E-Mail von Michael Waxenberger aus Landersdorf, einem Ortsteil der Stadt Dorfen, mit der Bitte, ihm ein Foto vom Gnadenbild der Hilgerkapelle zu schicken. Er wolle es für die bevorstehende Primiz seines Bruders verwenden. Dem Wunsch konnte entsprochen werden: Ein Foto der „Mutter Gottes von Maria Dorfen“ in der Hilgerkapelle ging digital von Berchtesgaden nach Landersdorf. Der Bruder des Primizianten bestätigte, dass das Foto für den geplanten Zweck gut geeignet sei: Es wurde nämlich vergrößert und auf eine 2,5 x 3,5 Meter große Platte aufgezogen. Bei der Heimatprimiz sollte das Bild dann hinter dem Altar aufgehängt werden.

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Am 7. Mai war es so weit: Pater Stephan Waxenberger SJM, ein 28-jähriger Landersdorfer, wurde in der Basilika St. Anna in Altötting von Erzbischof Georg Gänswein, dem Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., zum Priester geweiht. Die Priesterweihe, die ursprünglich im oberösterreichischen Stift St. Florian geplant gewesen war, war im Hinblick auf die durch Corona verursachten Reiseschwierigkeiten kurzfristig nach Deutschland verlegt worden. Waxenberger war nach dem Abitur und einem Semester Bauingenieurstudium als 19-Jähriger in das Noviziat der Kongregation „Servi Jesu et Mariae – Diener Jesu und Mariens (SJM)“ in Blindenmarkt in Niederösterreich eingetreten und hatte Philosophie und Theologie studiert.

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Auch die Titelseite des Dorfener Kirchenanzeigers zierte das Gnadenbild der Hilgerkapelle


Am Sonntag, 16. Mai, feierte der Neupriester dann bei strahlendem Sonnenschein unter strengen Hygienemaßnahmen seine Heimatprimiz in Landersdorf. Damit trotz Corona möglichst viele Gläubige an dem feierlichen Primizhochamt teilnehmen konnten, fand dieses nicht in der Kirche St. Martin statt, sondern auf einer großen Festwiese, auf der die Bänke im erforderlichen Abstand aufgestellt wurden. Auf diese Weise konnten immerhin 500 Gläubige für die Primizfeier zugelassen werden, darüber hinaus gab es von der gesamten Feier einen Livestream. Für den Altar war ein auf der „Schauseite“ offenes Festzelt errichtet worden, sodass alle den Altarraum samt dem großen Gnadenbild im Hintergrund gut sehen konnten.

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So konnte Stephan Waxenberger – nicht zuletzt durch Mithilfe unserer Pfarrei – seinen ersten Gottesdienst in seiner Heimat unter einem Bild der „allerseligsten Jungfrau, Mutter Gottes und wundertätigen Maria in Dorfen“ aus der Berchtesgadener Hilgerkapelle feiern. Am Ende des festlichen Primiz-Hochamtes spendete der Neupriester den Primizsegen, für den man sich ja bekanntlich „ein paar Schuhsohlen durchläuft“. Auch von unserer Seite gehen herzliche Glückwünsche an den jungen Priester. Möge er in seiner Berufung stets Erfüllung finden.

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Nachdem nun geklärt ist, warum für eine Primiz in Landersdorf ausgerechnet ein Altarbild aus der Hilgerkapelle in Berchtesgaden verwendet wurde, bleibt die Frage: Wie kam das Bild der Muttergottes von Dorfen überhaupt in die Hilgerkapelle?
Als Dank für die Genesung aus schwerer Krankheit ließ Ursula Regina Seefeldner in Landshut ein Gemälde der Gnadenmutter von Maria Dorfen als Kopie eines Kupferstichs von Elias Christoph Heiß (1720) anfertigen und plante 1722 zusammen mit ihrem Mann, dafür eine Kapelle zu bauen. Diese „Maria-Dorfen-Kapelle“ wurde 1725 fertiggestellt und bereits 1727 erweitert.

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Über das Gnadenbild schreibt Zeno Reisberger in der „Bergheimat“ vom 11. August 1933:
„Das älteste und wertvollste Stück am Altar, vielleicht in der ganzen Kapelle ist das Altarbild. Es dürfte aus der Zeit der Kapellenerbauung stammen, ist also älter als der Altar selbst. Es stellt die Gottesmutter von Maria Dorfen dar. Dorfen an der Isen in Oberbayern war zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine weitbekannte Wallfahrt, damals berühmter als Altötting. Unsere Fürstpropstei hatte in Wasentegernbach bei Dorfen einen Besitz; daher die nähere Bekanntschaft mit Maria Dorfen und darum kam wohl auch das Bild der Dorfener Muttergottes in die Hilgerkapelle nach Berchtesgaden. Die Gottesmutter auf unserem Bild sitzt auf einem Thron, neigt das mildblickende Haupt etwas nach der rechten Seite und hält mit dem rechten Arm das auf ihrem Schoß sitzende Jesuskind. Ihr faltenreiches Kleid ist weiß und goldgestickt. Der weite Mantel von blauer Farbe verdeckt den Thronsessel. In der linken Hand hält Maria als Königin des Rosenkranzes einen Rosenstrauß und einen Rosenkranz. Das Jesuskind hat ein weißes, goldgesticktes Gewand und in der Rechten eine Lilie, das Sinnbild der Unschuld. Nach dem Geschmack der damaligen Zeit und einer aus Italien stammenden Manier wurden metallen-vergoldete Kronen und Herzen aufgesetzt; letztere wurden auch als Mantelschließen zum Zusammenhalten des Mantels vom Gnadenbild benützt und waren Votivgaben. Maria thront auf Wolken und wird von fünf lieblichen Engeln umschwebt. Über ihr tragen zwei mit rotblauen, faltigen Gewändern angetane Engel ein Spruchband mit der Inschrift: Beatissima Virgo Mater Dei Maria Miraculosa in Dorffen (das wunderbare Gnadenbild der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria in Dorfen). Diese beiden Engel halten Tafeln mit der Aufschrift „Rosarium“ (Rosenkranz) und „Refugium“ (Zuflucht). Unter der Gottesmutter, auf einem Hügel des Isentales steht die Kirche Maria Dorfen, links davon die Gnadenkapelle und das Priesterhaus. Im Vordergrund sind Bedrängte und Kranke, die ihre Zuflucht zu Maria nehmen: links ein Krüppelhafter, dann ein Augen- oder Kropfleidender, eine Lahme mit eigenartigen Stelzen, der Wallfahrer mit dem Armensünderglöckchen, die Mutter mit dem „fraisenden“ Kind. (…)
In diesem Zusammenhange dürfte auch einiges über die Bedeutung des früheren Wallfahrtsortes Dorfen interessieren. Nach einer Sage hatte schon der Heilige Rupert an der Stelle der Wallfahrtskapelle gepredigt. Um 1451 zählte Maria Dorfen neben Ettal, dem heiligen Berg Andechs, Tuntenhausen, Sankt Emmeram in Helfendorf, Frauentalham und Sankt Wolfgang zu den berühmtesten Wallfahrtorten der nächsten Umgebung, bedeutender als das damals noch wenig bekannte Altötting. „Unser Liebfrauengotteshaus aufm Perg zu Dorffen“ wurde in den folgenden Jahrzehnten „mit großem Zulauf des Volkes beehrt“. Einen großen Aufschwung nahm Maria Dorfen am Ende des 17. Jahrhunderts unter Pfarrer Josef Sailer. Dieser ließ bauliche Änderungen und Verbesserungen an der Wallfahrtskirche vornehmen, schaffte neue Glocken und eine neue Orgel an und sorgte für kunstvolle Ausschmückung des Kirchenraumes. Sailer war berühmt als Prediger und betätigte sich auch schriftstellerisch. 1709 und später gab er kleine Broschüren heraus, welche über die geschehenen Gebetserhörungen berichteten und Dorfen als Wallfahrtsort bekannt und berühmt machten. Nachdem am 19. Juni 1707 unter großer öffentlicher Feier das Gnadenbild als wundertätig erklärt worden war, nahm der Zuzug der Wallfahrer bedeutend zu; es begann die Blütezeit für den Wallfahrtsort. Von der großen Zahl der Wallfahrer kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkt, dass 1724 das Opferstockgeld 21.304 Gulden und 1732 die ausgeteilten Kommunionen 125.000 betrug. (…)
Bei der ungeheuren Verehrung, welche die gnadenreiche Gottesmutter von Dorfen besaß, ist es nicht zu verwundern, wenn ihr Bildnis auch anderwärts aufgestellt wurde, so in Kaiser-Ebersdorf bei Wien, in Planegg bei München und 1725 in der Hilgerkapelle in Berchtesgaden. Wegen dieses Altarbildes erhielt unsere Hilgerkapelle auch den Namen Maria Dorfen-Kapelle. So wird sie noch in einem im Gemeindearchiv vorhandenen Kapitalienverzeichnis aus dem Jahre 1775 genannt. Dieser Name ist aber immer mehr in Vergessenheit gekommen, nachdem Maria Dorfen seine Bedeutung als Wallfahrtsort verloren hatte.“

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Andreas Pfnür
15. Juni 2021
Fotos: PV Dorfen und PV Stiftsland

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