"Die ganze bewohnte Welt umfassend" oder "wie ein großes Haus"
Ökumenischer Gesprächsabend im Pfarrheim St. Andreas Berchtesgaden
Der Bedeutung des Wortes Ökumene nachzugehen, wie sie die Überschrift zeigt, dazu hatte der Berchtesgadener Frauenbund, nach dreijähriger Coronapause, zu einem Ökumenischen Gesprächsabend eingeladen. Vroni Dollinger-Schmid aus dem Frauenbund-Vorstand begrüßte herzlich die beiden Pfarrer Monsignore Dr. Thomas Frauenlob und Dr. Josef Höglauer, die sich das Wirken des verstorbenen Papstes em. Benedikt XVI. und seine aktuelle Bedeutung für die Ökumene vorgenommen hatten. Kenntnisreich und mit vielen interessanten Details gewürzt griffen die beiden Pfarrer die verschiedenen und zum Teil durchaus widersprüchlichen und Irritationen auslösenden Lebensphasen der Persönlichkeit Ratzinger/Benedikt auf: Vom „jungen Wilden“, der u. a. mit einem wegweisenden Vortrag für Kardinal Frings den damaligen Papst Johannes XXIII. beeindruckte, zum brillanten Theologen, der vier maximale Forderungen für eine Einheit der Kirchen formulierte – die aber in ihrer Radikalität nicht realisierbar waren. Einen Meilenstein in der Ökumene setzte er zusammen mit Landesbischof Johannes Hanselmann bei der Lösung der Rechtfertigungslehre, die 1999 vom Lutherischen Weltbund und der katholischen Kirche in Augsburg unterzeichnet wurde. Als Papst veränderte Benedikt den hierarchischen Aufbau der Kirche, indem er seine Kirche weniger als Pyramide denn als Netz beschrieb: Jede Ortskirche, Diözese, mit einem Bischof an der Spitze sei ganz Kirche, aber nicht die ganze Kirche. Damit komme dem Papst als souveränem Sprecher aller katholischen Christen auch eine gewichtige internationale Autorität zu. Hier zeigte sich ein großer Unterschied zur evangelischen Kirche, die von der Gemeinde her gedacht wird und in der der Landes- oder Regionalbischof eher repräsentierende Funktionen hat. Im August 2000 gab Ratzinger dann als Präfekt der Glaubenskongregation die Erklärung „Dominus Iesus“ heraus, die überaus wirkmächtig das Verständnis von katholischer, orthodoxer und evangelischer Kirche behandelte: Danach sei die orthodoxe Kirche eine echte Teilkirche der katholischen aufgrund der apostolischen Sukzession – die evangelische Kirche dagegen keine Kirche „im eigentlichen Sinn“. Da eine „Rückkehr-Ökumene“ jedoch keine Option sei, sah Pfarrer Dr. Höglauer die Möglichkeit einer Einheits-Ökumene und noch viel mehr die einer „Ökumene der versöhnten Verschiedenheit“, die für ihn auch das tragende Konzept sei. Für beide Pfarrer war jedoch alles bisher Erreichte ein ermutigendes Zeichen für die Zukunft. Für das konkrete Jahr 2030 (500 Jahre nach der Confessio Augustana, sozusagen dem offiziellen Geburtsjahr der evangelischen Kirche) stellte Pfarrer Dr. Frauenlob schließlich die Frage nach der nächsten Zielmarke, die man bis dahin erreichen wolle. Dem schlossen sich ganz persönliche und drängende Fragen aus der Gesprächsrunde an, wie etwa nach der Haltung von Papst Franziskus zur Ökumene; nach der Möglichkeit, die Unterschiede bei der Eucharistie zu verringern; die Diskussion über den synodalen Weg und über mehr ökumenische Zusammenarbeit; vor allem aber der Wunsch nach mehr Beteiligung von Frauen, auch am Weiheamt. Dieser spannende und auch lehrreiche Abend wird wohl noch länger nachwirken. Aber wie es Vroni Dollinger-Schmid bei ihrem Dank an die beiden Pfarrer ausdrückte: „Die Ökumene ist in Berchtesgaden auf einem guten Weg.“
Ursula Kühlewind
Fotos: Andreas Pfnür